Buch II, Vierter Teil, Kapitel 10

Weihnachten bei den Rostows

Das Kapitel eröffnet mit einer Diskussion, die pseudo-deeper nicht auf einer Sommerlan hätte stattfinden können. Die Geschwister Natascha und Nikolaj sitzen mit der schüchternen Cousine Sonja im Diwanzimmer des elterlichen Hauses, das offenbar soviele Wohnzimmer hat, dass diese zur Unterscheidung nach dem Inventar benannt werden. Es wird eine “weißt Du noch damals, als…” Story nach der anderen gedroppt, und Sonja ist auch da. Sie ist weniger extrovertiert und die stürmischen Gefühlsausbrüche und Dramatik der beiden Rostow-Geschwister geht ihr ab, und doch genießt sie die Qualitytime mit der Fam.

Schließlich kommt die Geschichte, wie Sonja zur Familie gestoßen ist, eine bruchstückhafte Kindheitserinnerung für die drei und es wird nicht genauer aufgeklärt. Auftritt des Stubenmädchens, das Natascha völlig kontextlos flüsternd ankündigt: “Gnädiges Fräulein, der Hahn ist gebracht worden” Um welches Boytoy Nataschas es sich handelt bleibt im Dunkeln, denn Natasche erwidert kühl “Ich brauche ihn nicht mehr, Polja; laß ihn wieder wegbringen”.

Die Unterhaltung leidet unter diesem kurzen Intermezzo nicht, und Eduard Karlytsch Dümmler betritt das Zimmer, um auf Geheiß der alten Gräfin Rostow, die im offenbar benachbarten Salon verweilt, ihr Lieblingsnotturno auf der Harfe zu spielen. Um die Dramatik der Situation zu erhöhen macht Natascha das Licht aus und nur der silberne Vollmond erhellt die ergreifende Szene. Natascha nimmt noch einen Zug von der Bong: “Ich glaube, wenn man sich so erinnert und erinnert und immer wieder erinnert, so kommt man schließlich in der Erinnerung so weit, daß einem auch das wieder einfällt, was geschehen ist, ehe man auf der Welt war…” Dümmler setzt sich zu der Gruppe, es geht um die Seelenwanderung, ob man vor seinem jetzigen Ich mal Tier oder doch Engel war. Mutter Rostow, die alte Gräfin, gettet den Vibe nicht und bittet Natascha, etwas vorzusingen, und sie steht auf, Nikolaj steppt ans Klavier. Und Natascha singt wie eine junge Göttin, so wundervoll dass Graf Ilja Andrejewitsch (Rostow) in der Unterhaltung mit seinem Verwalter Mitenka voll Ergriffenheit den Faden verliert und die beiden nur noch lauschen. Nikolaj geht ebenso wenn auch nur als Statist verglichen mit Nataschas Strahlkraft in der Szene auf, und Sonja denkt bei sich wie viel weniger bezaubernd sie selbst doch ist als ihre Cousine (hier wird die Verwandtschaftsbeziehung gedroppt btw).

Die alte Gräfin ist ergriffen und erkennt doch sofort, dass Nataschas Zartheit und Kraft sie doch zu nahe an die Sonne führen, dass sie “zuviel” ist, um prompt in Besorgnis ob der bevorstehenden Hochzeit mit Fürst Andrej zu verfallen. Nicht unbegründet, wie wir ja schon gesehen haben. Und dieser Moment göttlicher Schönheit wird wüst unterbrochen von dem kleinen Rostow-Bruder Petja, der herbeieilt mit der Nachricht, Maskierte sein angekommen. Natascha verdrückt einige Tränen, weil sie so rüde aus ihrem Solo gerissen wurde. Doch merry cultural appropriation und crossdressin ensues, denn es ist wohl Brauch sich zu Weihnachten zu verkleiden.

Man entschließt sich, per Schlitten zum benachbarten Gut/Schloss zu fahren, und Sonja findet als Mann verkleidet ihr Selbtbewusstsein, und Nikolaj sie deutlich schöner als ihm vorher je aufgefallen ist. Die Freud’sche Analyse überlass ich euch.