Buch IV, Vierter Teil, Kapitel 15

Wie Mücken in einer Sommernacht

Ein aufbrausender Herbstwind erhebte sich über dem Ural im Oktober 1813. Von den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Russen und Franzosen unberührt geblieben gehen die Bewohner hier ihren herbstlichen Tätigkeiten nach, diesen Oktober sind die Äpfel besonders üppig ausgefallen. Das deutet auf einen harten Winter hin, wie man hier gemeinhin sagt. Der Wind gleitet hinab über die Tiefebenen rund um Moskau, zwischen kräftigen Flüssen sind viele Bauern unterwegs, auf ihren Karren Loot aus dem von den Franzosen zunächst besetzten, dann geplünderten und schließlich doch besiegt verlassenen Moskau. Moskau, Du Perle Russlands, Schatzkammer zwischen Europa und Sibirien, und doch nur noch eine ausgebrannte Ruine. Dies war ein Ende der napoleonischen Kriege. Nicht das Ende, das Rad der Zeit kennt keinen Anfang und kein Ende. Doch es war ein Ende. Und zugleich ein Neubeginn.

Tolstoj (ich lerne ja auch dazu) zoomt in diesem Kapitel extrem weit hinaus und erzählt, wie Moskau erst von Franzosen geplündert wurde, dann verlassen, dann von den Bauern des Umlands nochmal geplündert wurde, da keine Bevölkerung mehr da war, die etwas geclaimed hätte. Doch nach dem sagenhaften Sieg über die Franzosen zog Moskau die russische Bevölkerung an wie eine Straßenlaterne Mücken in einer lauen Sommernacht: sehr viele. Und so kehrt doch ein wenig Zivilisation zurück, Händler machen wieder auf, die Bauern werden verdonnert Leichen aus der Stadt rauszufahren statt Loot, und bringen viel Nahrung in die Stadt auf der Hintour.

Und ganz zum Schluss noch ein Höhepunkt. In dem ansonsten völlig ohne spezifische Personen auskommenden Kapitel schafft der Autor doch noch die Wende und endet mit dem vielsagenden Cliffhanger: “Graf Rastoptschin schrieb seine Proklamationen.” Ist dies vielleicht der alte Graf, den die sich aus Langeweile scheiden lassende Frau aufgabeln will?